Online Klima-Bildungscamp: Transformation durch Postwachstum und Suffizienz?
Am 8. und 9. sowie am 15. und 16. Mai 2020 fand das erste Klima-Bildungscamp des CAMBIO e.V. zum Thema „Transformation durch Postwachstum und Suffizienz“ statt.
Auf Grund der durch Corona gegebenen Umstände wurde aus einem Camp kurzfristig ein Web-Seminar – und so betraten alle Beteiligten weitgehend umbekanntes Gebiet.

Mit freundlicher Unterstützung durch sixtopia, die uns ihren BigBlueButton-Server zur Verfügung stellten, wurde daraus ein voller Erfolg – trotz kleinerer Schwierigkeiten, die sich bei jedem ersten Mal auftun.

Das Programm, die Ankündigung und die Referent:innen könnt ihr euch hier nochmal anschauen: Link

Der erste Tag
Um den Einstieg für alle möglichst einfach zu gestalten und sich an das neue Tool zu gewöhnen, hatten alle Teilnehmenden im Voraus erste Infos und Tutorials zugeschickt bekommen. Trotzdem startete der erste Tag mit einem Technik-Check, sodass sich nach Möglichkeit alle Beteiligten einander gut verstehen und so miteinander gut in Kontakt treten konnten. Dann ging’s los! Den Teilnehmenden, von denen einige mit mehr und andere mit weniger Vorwissen ausgestattet waren, wurde zum Einstieg mit einem Mindestmaß an allgemeinem Wissen zur Klimakrise aufbereitet.

Die Problembeschreibung in Patricia Gallos Vortrag zu globalen Auswirkungen der Klimakrise diente quasi als Wissensgrundlage für die folgenden Vorträge und Tage. Im Anschluss bot Elisa Dauben einen Einblick in „Postwachstum als nachhaltige Stadt- und Landentwicklung“ speziell im Raum Dresden. Im ersten Teil des Beitrags wurde die Relevanz von Postwachstum als alternative zu ökologischer Modernisierung und Green Economy als vorherrschende Strategie zur Bekämpfung von Ressourcenknappheit, Übernutzung und ihren Folgeschäden hervorgehoben.
Postwachstum ist in erster Linie weniger anfällig für Rebound-Effekte und somit in der Folge besser geeignet effiziente Lösungen zu produzieren. Zur weiteren Vertiefung wurden unterschiedliche Postwachstums-Ansätze in sogenannten Break-out-Rooms (einem wunderbaren Tool zur Gruppenarbeit innerhalb von BigBlueButton) besprochen und vorgestellt. Darunter der konservative, sozialreformerische, suffizienzorientierte, kapitalismuskritische und der feministische Ansatz. Diese sehr abstrakten Überlegungen wurden anschließend in praktische Ansätze übersetzt und abschließend mit Beispielen, wie der Transition Town- Bewegung, dem BewusstSinn e.V. und dem UFER-Projekte e.V. in Verbindung gebracht.

Der zweite Tag
Den Anfang des zweiten Tages machte Antonia Mertsching mit einem Vortrag zum „Strukturwandel in der Lausitz“ im Zuge des Kohleausstiegs. Antonia Mertsching erzählte den Teilnehmenden von der Finanzierung, den Zielen und den an die Ziele gekoppelten Bedingungen des Strukturwandels sowie der Entscheidungsfindung bzw. den Mitbestimmungs-Möglichkeiten in diesem Prozess. Jeder dieser Bereiche brachte eigene Probleme mit sich, wie bspw. Fehlendes Engagegment der Bevölkerung, das Fehlen von Beteiligungsmöglichkeiten oder Probleme bei der angemessenen Verteilung der Gelder. Im Anschluss an den Vortrag gab es viel Platz für Fragen und Diskussionen

Den zweiten Teil des Tages füllte Patrick Irmer mit seinem Beitrag zu „Naturschutz und Rechtsextremismus“. Vor allem auf dem Land sind rechte Gesinnungen verbreitet und oft hüllen sich diese in andere Gewänder, dabei sind ihnen diese der Umweltbewegung am liebsten, da es dort schon von Beginn an inhaltliche Überschneidungen gibt. Dies zeigte Patrick Irmer anhand von Zitaten, die teilweise sehr schwer dem „grünen“ oder dem „braunen“ Lager zuzuordnen waren.

Die unterschiedlichen rechten Bewegungen und Organisationen haben jedoch eins gemeinsam – sie gründen allesamt auf folgenden Konzepten: Ungleichwertigkeit, Chauvinismus, Sozialdarwinismus und Autoritarismus. Umweltschutz hat in rechten Kreisen, ausgehend von der Blut-und-Boden -Ideologie, lange Tradition und findet sich dort schon lange vor der Gründung des Dritten Reiches. Auch die Partei „die Grünen“ wurde nach der Gründung beinahe von Nazis unterwandert. Letztenendes konnte sich – zum Glück – der linke Flügel durchsetzen. Und auch heute findet man in den aktuellen rechtsextremen Organisationen und Bewegungen wie der NPD, der AfD, der Identitären Bewegung oder der Anastasia-Bewegung Positionen, die Umweltschutz mit rassistischem und sozialdarwinistischem Gedankengut verbinden.

Der dritte Tag
Nachdem alle Beteiligten fast eine Woche Pause hinter sich hatten, starteten wir in das zweite Wochenende ebenfalls mit einem Technik-Check gefolgt vom Beitrag von Thomas Markert unter dem Titel „Situation und Erfahrungen aus dem ländlichen Raum“.
Er eröffnete einige interessante Perspektiven und verband diese immer wieder mit praktischen Tipps um selbst im Kleinen Suffizienz zu leben. Beispielsweise zeigte er den Teilnehmenden ein Rezept und Cremes selbst herzustellen und so Plastikmüll und Produktionskosten zu vermeiden, er empfahl eine Kleidungsmarke, die nicht auf die sehr „durstige“ Baumwolle zurückgreift, um Wasser zu sparen und empfahl ein Pesto zum Selbermachen. Zum Abschluss präsentierte er die seine „Selbstversorger-Installationen“: eine selbstgebaute Regenrinne zum Wasser sammeln, eine Solarstrom-Anlage sowie eine Kompost-Toilette.

Nach der pause gab es Input zur „Praxis von Degrowth und Selbstversorgung“ von Corinna Vosse von der Akademie für Suffizienz. Ausgehend von den Problemen, die unsere Wirtschaftsform mit sich bringt (Störanfälligkeit durch Eingleisigkeit, Pfadabhängigkeit als Verstärker und Nebeneffekt durch die Eingriffstiefe), erläuterte Corinna Vosse, dass die Effizienzstrategie, die am vorigen Wochenende auch Elisa Dauben schon angesprochen hatte, in den letzten 10 Jahren nur einen schwindend geringen Fortschritt von 3% hinsichtlich der Verringerung des Co2-Ausstoßes gebracht hat. Trotzdem findet eine Diskussion alternativer Lebens- und Wirtschaftssysteme nicht statt.
Dabei müsse technischer Fortschritt mit dem Suffizienzgedanken verbunden werden, um einen wirklichen Fortschritt zu erzielen. Von Suffizienz gibt es, ähnlich wie bei Postwachstum und Degrwoth, sehr unterschiedliche Auffassungen: als Ethik, als stoffliche Obergrenze und als Lebensstil.

In der Praxis bringt Suffizienz, die es für die meisten Menschen schwer machen den Gedanken konsequent umzusetzen: Zwischen dem Kennen und Befürwroten von Suffizienz und dessen Umsetzung liegen Welten. Dabei spielt oftmals ein empfundener, manchmal auch ein objektiver Zeitmangel eine wichtige Rolle. Außerdem ist das Leben des Suffizienzgedankens mit Anstrengung verbunden, was in Verbindung mit den Nachteilen durch das systemimmanente Akkumulationsstreben, viele Menschen davon abhält Suffizienz nachhaltig zu verfolgen. Die Effizienzstrategie ist letztendlich nicht an sich falsch, greift aber nicht weit genug. Es darf jedoch auch keine Inidividualisierung der Verantwortung geben, im Gegenteil: Letztendlich muss die Politik sich so einstellen, dass Individuen, die Suffizienz leben möchten nicht durch die systemischen Gegebenheiten benachteiligt werden.

Der vierte Tag
Den letzten Tag des Klima-Bildungscamps eröffnete Thomas Zschornak, der Bürgermeistern der Gemeinde Nebelschütz. Nebelschütz ist eine Gemeinde in Sachsen, die es sich zur Aufgabe gemacht hat „enkeltauglich“ zu sein – also das Leben für kommende Generationen so gut wie möglich zu gestalten. Thomas Zschornak vermittelte einen schönen Einblick in den Prozess, der die Gemeinde Nebelschütz zu dem Vorzeigeprojekt gemacht hat, das es jetzt ist. Von der Planung und den Beteiligungsprozessen, über Finanzierung und den Umsetzung einzelner (abgeschlossener und anstehender) Projekte. Neben Permakultur und erneuebaren Energien spielt das Ökokonto bei der Gestaltung der Gemeinde eine wichtige Rolle. Es sorgt dafür, dass jeder Eingriff in die Natur an anderer Stell ausgeglichen wird und so eine nachhaltige Gemeindeentwicklung entsteht.

Zum Abschluss referierte Monia Ben Larbi zu „Digitalisierung und ländlicher Raum“ und stellte DiANA vor, eine virtuelle Co-Moderation, die es Gemeinden und Initiativen erleichtern soll ihre Vorhaben zu strukturieren. Die Anwendung gibt es für Handys, Tablets und PCs und bietet allerlei nützliche Methoden, Übersichten und Tools, die im Laufe der Planung und Umsetzung eines Projekts wichtig sein können. Auch die Gemeinde Nebelschütz hat sich an dem Projekt „Dörfer im Aufbruch“ und somit an der Entwicklung von DiANA beteiligt und davon profitiert.

Am Ende jedes Tages gab es die Möglichkeit für die Teilnehmenden, Rückmeldung zu geben. Sowohl zu den Beiträgen bzw. Referierenden als auch zur Durchführung und dem Format an sich waren diese durchweg positiv. Da alles so gut geklappt hat und auch die Rückmeldungen so positiv waren, können wir uns gut vorstellen weitere Veranstaltungen in diesem Format durchzuführen. Allerdings hoffen wir, dass das Camp nächstes Jahr in persona stattfinden kann!
An dieser Stelle nochmal Danke, an alle Teilnehmenden und insbesondere auch an die Referierenden, für diese tollen Wochenenden!

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